Es ist das oberste Recht eines demokratischen Parlaments, über den Haushalt eines Landes zu entscheiden. In Deutschland beschließt in dieser Woche der Bundestag in Berlin über den Haushalt des kommenden Jahres. Dabei ist es gute Sitte, dass der Bundestag eine Generaldebatte abhält, eine Diskussion über die wichtigsten Fragen, die Land und Gesellschaft gerade beschäftigen. Es sind viele Fragen.
Entsprechend engagiert trat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) an diesem Mittwoch im Plenum des Parlaments auf. Mit hohem Tempo, lauter Stimme und länger als zunächst geplant sprintete der deutsche Regierungschef durch die vielen politischen Baustellen, die ihn gerade umtreiben. Er sagte: Das wichtigste Thema sei gerade, ob es wirklich gelingen könne, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu beenden.
Merz: „Friedliches Zusammenleben“ im Blick
Schon seit Tagen versucht Merz, zusammen mit anderen europäischen Regierungschefs, einen Fuß in die Tür der laufenden Verhandlungen zwischen den USA und Russland zu bekommen. Im Parlament betonte er: „Wir wollen keinen Frieden durch Kapitulation, sondern wir wollen ein friedliches Zusammenleben der Völker in Europa. Auf der Grundlage unserer demokratischen, freiheitlichen Werte.“

Denn ein erster Plan mit 28 Punkten, von der US-amerikanischen Regierung vorgelegt, kam den Interessen Russlands weit entgegen, darin ist die Rede von umfangreichen Gebietsabtretungen zu Lasten der Ukraine.
Seit dieser Plan vorliege, so der Kanzler, sei er mehr oder weniger pausenlos in Kontakt etwa mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer: „Wir wollen, dass dieser Krieg so schnell wie möglich endet. Doch ein zwischen Großmächten verhandeltes Abkommen ohne die Zustimmung der Ukraine und ohne die Zustimmung der Europäer wird keine Grundlage sein für einen echten tragfähigen Frieden.“
Kanzler zur Rolle Russlands: „Es gibt nur einen Aggressor!“
Aber auch Merz weiß: Ohne die USA wird es keinen Frieden geben, auch wenn Gespräche mit dem unberechenbaren amerikanischen Präsidenten Donald Trump extrem schwierig sind. Merz: „Ich begrüße deshalb das fortgesetzte amerikanische Engagement bei der Lösung dieses Konfliktes. Und das habe ich Präsident Trump am vergangenen Freitag in einem Telefonat auch genauso gesagt.“
Aber, so Merz weiter: Europa sei kein Spielball, sondern aktiver Akteur. Der Krieg könne morgen enden, wenn Russland seinen völkerrechtwidrigen Krieg einstelle: „Es gibt nur einen Aggressor!“, rief Merz in den Bundestag.
Bei so viel Leidenschaft für das unter Druck geratene Europa und für die Ukraine gerieten die vielen Probleme, die die deutsche Regierung im Land selbst hat, fast in den Hintergrund. Die Zustimmungswerte für die Regierung aus Konservativen der CDU/CSU und Sozialdemokraten (SPD), gerade einmal ein halbes Jahr im Amt, sind niedrig.
Aktuell muss Merz um eine Mehrheit für seine Reform des Rentensystems fürchten, das vor allem junge Abgeordnete seiner eigenen Partei als zu teuer und wenig generationen-gerecht brandmarken. Leidenschaftlich warb Merz deshalb mit Blick auf seine Kritiker für einen neuen „Konsens der Generationen“, plädierte aber auch für mehr Geduld: „Wir stehen erst am Anfang der Reformen, die unser Land so dringend benötigt.“
Weidel: „Koalition im Endstadium“
Traditionell wird die Generaldebatte von der stärksten Oppositionspartei eröffnet, und das ist die in Teilen rechtsextreme „Alternative für Deutschland“ (AfD). Deren Fraktionsvorsitzende und Parteichefin Alice Weidel zeichnete ein extrem düsteres Bild Deutschlands, und bemühte dabei den Vergleich mit der größten Katastrophe in der Geschichte der Passagier-Schifffahrt: „Diese Koalition im Endstadium erinnert immer mehr an die Brücke der Titanic.“

Weidel stellte einen 12-Punkte Plan für Deutschland vor, der das Land grundlegend verändern würde: Sie fordert eine Abkehr von Wind- und Sonnenstrom, neue Kernkraftwerke und bei der Zuwanderung eine „Politik der geschlossenen Tür.“ Auf Nachfrage lobte sie die scharf kritisierten Reisen einiger ihrer Parteifreunde nach Russland: Die AfD sei die einzige Partei, die gute Kontakte zu beiden Großmächten unterhalte, zu den USA unter Trump und zu Russland.
Obwohl Weidel kein gutes Haar an der Politik des Kanzlers ließ und extrem aggressiv auftrat, erneuerte sie ihr Angebot, schon jetzt eine Koalition von ganz rechts und rechts zu schmieden: Die Mehrheit für ein Bündnis der Konservativen und der AfD sei im Parlament vorhanden, sagte Weidel. Merz kommentiert das in seiner Rede nicht.

SPD wirbt für mehr Sachlichkeit bei der Rentendebatte
Wie schon bei vielen Debatten zuvor war der Ton rau und die Atmosphäre gereizt. Parlamentspräsidentin Julia Klöckner (CDU) rügte, während der Merz-Rede habe es aus der AfD-Fraktion Zwischenrufe wie „Kriegstreiber“ und „Aggressor“ gegeben. Sie würde das härter ahnden, so Klöckner, konnte die Zwischenrufe aber nicht einzelnen Abgeordneten zuordnen.
Der Fraktionschef des kleinen Koalitionspartners, der Sozialdemokrat Matthias Miersch, versuchte, die emotionale Debatte um die Rente zu versachlichen: Mit einem positiven Geist, sagte er, „können wir tatsächlich in dieser großen Koalition Großes bewirken und dieses Rentensystem auf zukunftsfeste Füße stellen“. Noch aber bleiben die jungen CDU/CSU-Politiker im Bundestag bei ihrer Ablehnung. Derzeit müsste die Regierung bei einer Abstimmung um ihre Mehrheit fürchten.
Der Fraktionschef der Konservativen im Bundestag, Jens Spahn, analysierte in seiner Rede: „Jetzt zu glauben, dass das alles ohne Debatten mal einfach hier so durchmarschiert, das scheint mir doch eher Wunschdenken.“ Es sind bewegte Zeiten voller Unsicherheit für die neue Bundesregierung – zuhause in Deutschland und im Ausland.