27. November 2025

Die US-Wirtschaft greift nach Lateinamerika

Von Admins

Während Europa und das Handelsbündnis Mercosur, das aus den Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay besteht, weiterverhandeln, verschaffen sich die USA mit neuen Abkommen in der Region neue Spielräume.

Ginge es nach Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva (80), dann würde einer Unterschrift unter dem EU-Mercosur-Freihandelsabkommen am 20. Dezember in Rio de Janeiro nichts mehr im Wege stehen. Es wäre das erfolgreiche Ende von mehr als zwei Jahrzehnten Verhandlungen und „der größte Vertrag“ des Welthandels, wie Lula am Rande des G20-Gipfels in Südafrika sagte.

Es wird Zeit für Europa

Doch schon oft wähnte sich die EU am Ziel und auch diesmal könnte es wieder sehr eng werden: Am lautesten pochen Frankreich als auch Ungarn auf Veränderungen. Sie fürchten um ihre Agrar-Industrie.

EU-Flaggen vor dem EU-Hauptquartier: von links nach rechts und von hinten nach vorne immer undeutlicher zu sehen
Europa aus Sicht der Mercorsur-Staaten: immer blasser und undeutlicher, je näher man sich kommtBild: Virginia Mayo/AP Photo/picture alliance

Während also der Wunschvertrag der europäischen Industrie weiterhin am seidenen Fanden hängt, drücken die Amerikaner aufs Tempo. In den letzten Wochen wurden Vereinbarungen und Abkommen mit zahlreichen lateinamerikanischen Ländern wie Argentinien, Guatemala, El Salvador oder Ecuador angekündigt und ausgehandelt. Sie sollen eine Trendwende in den Handelsbilanzen einleiten und vor allem China zurückdrängen.

Gestärkte US-Präsenz

„Auf geopolitischer Ebene stärken diese Abkommen die Präsenz der USA vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs mit China in den Bereichen Infrastruktur, Technologie und kritische Mineralien“, sagt Politikwissenschaftler Vladimir Rouvinski von der Universität ICESI aus Cali (Kolumbien) im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Handelsabkommen Mercosur: Steigender Druck auf die EU

Für die lateinamerikanischen Partner sei das keine schlechte Entwicklung, glaubt der Experte für Internationale Beziehungen: „Durch die Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mittels konkreter Instrumente gewinnen die lateinamerikanischen Länder etwas mehr Handlungsspielraum, Zugang zu technischer Zusammenarbeit und Möglichkeiten zur Diversifizierung ihrer Produktion.“

Insgesamt würden die Abkommen so dazu beitragen, die Region in den neuen wirtschaftlichen Prioritäten der Hemisphäre zu verankern und sie in der globalen strategischen Neuordnung besser zu positionieren.

China auf der Überholspur

Im Dreikampf um die Gunst Lateinamerikas zwischen China, USA und Europa hat derzeit Peking die Nase vorn. Das zeigen stellvertretend die Zahlen für Argentinien: So gelang es China auch in Argentinien zum wichtigsten Handelspartner aufzusteigen und Brasilien zu verdrängen. Mit Exporten im Wert von 1,166 Milliarden US-Dollar (das ist ein Anstieg von 241,4 Prozent im Jahresvergleich) und Importen im Wert von insgesamt 1,862 Milliarden US-Dollar (ein Plus von 33,7 Prozent) konnte China im Oktober seine Pole Position festigen.

Das Geschäftsgebäude der Bank of China im Puerto Madero in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires
China ist schon mehr und mehr präsent: Hier die Bank of China in Buenos AiresBild: Tobias Käufer/DW

Die USA dagegen fielen im gleichen Zeitraum auf den vierten Platz zurück und wurden zudem von Brasilien und der Europäischen Union überholt. Auch das erklärt das Interesse Washingtons an einem Handelsvertrag mit Argentinien.

Umgekehrt konnte Lateinamerika seine Exporte nach China und deren Erlöse um sieben Prozent steigern. Verantwortlich dafür sei vor allem der Anstieg der Fleisch- und Soja-Verkäufe und die höheren Preise für Mineralien wie Kupfer, heißt es im vor wenigen Tagen erschienen Bericht der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL).

Darin heißt es auch: „Im Allgemeinen gelten für die Länder Lateinamerikas und der Karibik in den USA niedrigere Zölle als für mehrere der wichtigsten Handelspartner dieses Landes, besonders aus Asien.“ Diese Situation eröffne Möglichkeiten für Handelsumlenkungen zugunsten der Exporte aus der Region in Sektoren wie Bekleidung, medizinische Geräte und Agrarindustrie.

USA auf Partnerschaftssuche

Die USA suchen sich nun gezielt Partner, um ihre Position in der Region zu verbessern und setzen dabei auf eine altbekannte Taktik, sagt Diana Luna von der Friedrich-Naumann-Stiftung im Gespräch mit der DW: „In Lateinamerika zeigt sich die klassische Mischung aus ‚Zuckerbrot und Peitsche‘ der US-Handelspolitik. Länder, die in den Bereichen Migration und Sicherheit liefern – wie Guatemala, El Salvador und Ecuador – oder gleichgesinnte Staaten wie Argentinien erhalten spürbare Präferenzen.“

Zukunftsmarkt Argentinien

Die Abkommen würden diese Länder als strategische Partner der USA festigen und ein deutliches Signal angesichts der wachsenden Präsenz Chinas setzen. „In Argentinien markieren die Abkommen die erste konkrete Handlung nach dem finanziellen Engagement der Trump-Regierung. Sie fördern besonders im Pharmasektor Investitionen und senden ein starkes Signal an die Märkte: Es lohnt sich, in Argentinien zu investieren – ein wichtiges Signal für Präsidenten wie Milei, die auf ausländische Investitionen setzen, um die Wirtschaft anzukurbeln“, sagt Luna.

 Mittagessen am großen Tisch des Kabinettssaales im Weißen Haus. Trump, Vance, Milei und Begleitung lassen es sich schmecken.
Noch ist es nur ein Lunch, noch ist es nur Argentinien, doch Trump läuft schon das Wasser im Mund zusammenBild: Jonathan Ernst/REUTERS

Argentinien ist dabei ein besonders interessanter Fall: Das Land steht vor komplexen Herausforderungen, denn die neuen US-Handelsrahmen könnten mit den Regeln des Mercosur nur schwer vereinbar sein. Argentinien riskiere, zwischen dem US-Rahmen und seiner Mercosur-Mitgliedschaft wählen zu müssen – mit potenziell gravierenden Folgen für Brasilien und den gesamten Handel im Block, so Luna.

Eine unmittelbare Auswirkung des Abkommens zwischen Argentinien und den USA sei der potenzielle Verlust von Marktanteilen für brasilianische Produkte, da nun billigere US-Waren in das Nachbarland gelangen können, sagte Marcela Franzoni, Expertin für internationale Beziehungen der Universität Ibmec dem Magazin Valor.

Dass die Europäer jetzt weiter in der Warteschleife stehen, hätten sie sich auch selbst zuzuschreiben, betont Expertin Luna. Sie würden weiterhin viele Sonderwünsche in Freihandelsgespräche einbringen. Dagegen locken die bilateralen US-Abkommen mit schnellen, handfesten Ergebnissen.