Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro muss Haftstrafe antreten
Der wegen eines Umsturzplans verurteilte brasilianische Ex-Präsident Jair Bolsonaro muss seine langjährige Haftstrafe antreten. Brasiliens Oberstes Gericht erklärte am Dienstag, der 70-Jährige habe sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft und müsse daher die gesamte mehr als 27-jährige Haftstrafe verbüßen. Bolsonaro war am Samstag nach der Beschädigung seiner elektronischen Fußfessel wegen „erhöhter Fluchtgefahr“ aus dem Hausarrest ins Gefängnis verlegt worden.
Vor wenigen Tagen hatte das Oberste Gericht eine erste Berufung Bolsonaros abgewiesen, sodass das Urteil nun rechtskräftig wurde. Das Gericht entschied, Bolsonaro werde im Offiziersraum bleiben, einem besonders gesicherten Bereich im Gefängnis für geschützte Gefangene, in dem er sich derzeit in Brasília befindet. Neben Bolsonaro erklärte der Oberste Gerichtshof auch die Strafen für sechs Mitangeklagte für rechtskräftig.

Bolsonaros Anwalt kritisierte die Entscheidung scharf. „Es ist ein schwerwiegender Fehler, diese Urteile rechtskräftig werden zu lassen“, sagte Paulo Cunha Bueno dem Nachrichtenportal G1. Er hält ein weiteres Rechtsmittel bis Freitag für möglich, um das Urteil zu ändern.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts ist diese Art des Einspruchs jedoch nur zulässig, wenn in der Hauptverhandlung mindestens zwei Richter für einen Freispruch plädiert haben, was im September nicht der Fall war. Daher kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Rechtsmittel unzulässig sind, und erklärte das Urteil endgültig für rechtskräftig.
Bolsonaro wegen versuchtem Staatsstreich verurteilt
Im September war der ultrarechte Ex-Präsident wegen eines geplanten Umsturzes zu mehr als 27 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Bolsonaro, der Brasilien von 2019 bis 2022 regiert hatte, war schuldig gesprochen worden, eine „kriminelle Organisation“ angeführt zu haben, die seine Wahlniederlage 2022 gegen den heutigen linksgerichteten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva rückgängig machen wollte.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Bolsonaro seine Anhänger zur Erstürmung des Obersten Gerichts, des Präsidentenpalastes und des Kongresses in Brasília am 8. Januar 2023 angestiftet hatte. Hunderte Unterstützer drangen damals in die Gebäude ein und beschädigten Mobiliar und verwüsteten Räume. Die Szenen erinnerten an den Angriff von Anhängern des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump auf das Kapitol in Washington zwei Jahre zuvor.
Richter vermutet Fluchtversuch in die USA
Am Samstag war Bolsonaro nach Beschädigung seiner elektronischen Fußfessel mit einem Lötkolben wegen Fluchtgefahr festgenommen worden. Auf Anweisung des Obersten Gerichts wurde er vom Hausarrest ins Gefängnis verlegt. Bolsonaro habe „das elektronische Überwachungsgerät vorsätzlich und bewusst“ beschädigt, urteilte der Oberste Richter Alexandre de Moraes.
Bei einer geplanten Mahnwache für Bolsonaro vor seinem Haus habe es zudem „sehr ernsthafte Hinweise auf einen möglichen Fluchtversuch“ gegeben, sagte de Moraes. Er verwies auf die Nähe von Bolsonaros Haus zur US-Botschaft sowie auf dessen enge Beziehung zu US-Präsident Trump. De Moraes deutete an, Bolsonaro habe womöglich versucht zu fliehen, um in den USA politisches Asyl zu beantragen.

Bolsonaros Verteidiger argumentierten hingegen, ihr Mandant habe sich aufgrund der Einnahme mehrerer Medikamente in einem „Zustand geistiger Umnachtung“ befunden, als er die Fußfessel zu lösen versuchte. Bolsonaro hatte selbst von „Paranoia“ und „Halluzinationen“ gesprochen. In einem anschließend veröffentlichten Video erklärte er, er habe aus „Neugier“ einen Lötkolben an die Fußfessel gehalten.
Bolsonaro in schlechtem Gesundheitszustand
Bolsonaros Sohn Flavio Bolsonaro sprach am Dienstag nach einem Besuch bei seinem Vater von „großer Grausamkeit“ gegen ihn. Es bestehe ein „erhebliches Risiko“ für dessen Gesundheit und Leben. Sein Bruder Carlos Bolsonaro sagte nach einem weiteren Besuch, sein Vater esse kaum, seine geistige Gesundheit habe sich verschlechtert.
Im September war bei Jair Bolsonaro Hautkrebs diagnostiziert worden. Zudem leidet der ehemalige Präsident weiterhin an den Folgen eines Messerangriffs während des Wahlkampfs 2018.