Bundeswehr: Wehrdienst freiwillig, Musterung Pflicht
Obwohl die Bundeswehr zehntausende Soldaten mehr braucht, wird es vorerst keine Rückkehr zur Wehrpflicht geben. Darauf haben sich die Regierungsparteien nach monatelangem Ringen geeinigt. „Der Neue Wehrdienst basiert zunächst auf Freiwilligkeit“, lautet der Kernsatz des Gesetzentwurfs, der im Dezember vom Bundestag beschlossen werden soll. Es soll aber künftig eine verpflichtende Musterung für alle jungen Männer ab 18 Jahren geben.
Bereits im Januar will Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit dem neuen freiwilligen Wehrdienst starten, der attraktiver sein und besser bezahlt werden soll.“ Andere europäische Länder, gerade im Norden, zeigen, dass das Prinzip Freiwilligkeit mit Attraktivität verbunden funktioniert – und ich erwarte das bei uns ganz genauso“, erklärte der Sozialdemokrat, nachdem sich die Spitzen der Koalition aus CDU/CSU und SPD geeinigt hatten.
„Die Bewerberzahlen steigen, die Einstellungszahlen steigen“, betonte Pistorius. Bereits 2026 sollen 20.000 neue Freiwillige gewonnen werden, die dann mit einem Bruttogehalt von 2600 Euro rechnen können.

Der Streit zwischen den Regierungsparteien hatte sich an folgender Frage entzündet: Kann die Bundeswehr allein mit Freiwilligen genug Personal gewinnen, um Deutschland verteidigungsfähig zu machen? Derzeit hat die Bundeswehr rund 182.000 Soldatinnen und Soldaten, gebraucht werden nach den Vorgaben der NATO mindestens 260.000 bis 2035.
Dieses ambitionierte Ziel sei nur mit der Rückkehr zur Wehrpflicht zu erreichen, argumentierten Politiker aus den konservativen Unionsparteien CDU und CSU. Oder zumindest mit einem Mechanismus, der automatisch eine Rückkehr zu Wehrpflicht auslöst in dem Fall, dass sich nicht genügend Freiwillige melden.
Keine automatische Rückkehr zur Wehrpflicht
Doch das war mit den Sozialdemokraten nicht zu machen – sie lehnen eine Rückkehr zur Wehrpflicht strikt ab. Der Kompromiss lautet nun: Sollte die Zahl der Freiwilligen nicht ausreichen, muss der Bundestag entscheiden, ob eine „Bedarfs-Wehrpflicht“ für eine bestimmte Zahl junger Männer eingeführt wird. Eine Festlegung auf eine automatische Rückkehr zur Wehrpflicht gibt es nicht.
Dennoch lobte auch die Unionsfraktion den Kompromiss. Das sei die „richtige Mischung aus Freiwilligkeit und Verpflichtung“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann.
Neue Pflichten für junge Männer: Fragebogen und Musterung
Zwar bleibt der Wehrdienst freiwillig, aber auch auf jene jungen Männer, die mit der Bundeswehr nichts am Hut haben, kommen zwei Verpflichtungen zu: Ab 2026 müssen sie einen Fragebogen ausfüllen, bei der Bundeswehr „Bereitschaftserklärung“ genannt. Darin wird abgefragt, wie es um die körperliche Fitness steht sowie um die Bereitschaft, in den Streitkräften zu dienen.

Die Adressen aller 18-jährigen Deutschen holt sich die Bundeswehr von den Meldeämtern. Sie schickt ihnen dann einen QR-Code zu, der die Fragen enthält. Frauen können sie beantworten und ihre Bereitschaft bekunden, in der Bundeswehr zu dienen. Sie müssen dies aber nicht tun, weil durch die Verfassung nur Männer zu einem Wehrdienst verpflichtet werden können.
Deutschland kehrt zur Wehrerfassung zurück
In den kommenden anderthalb Jahren werden zunächst die Freiwilligen gemustert, also einer medizinischen Untersuchung unterzogen. Ab Juli 2027 sollen dann flächendeckend alle jungen Männer ab Geburtsjahr 2008 gemustert werden. Betroffen sind rund 300.000 Männer pro Jahrgang. Nur so könne sich die Bundeswehr ein Bild davon machen, wer im Konfliktfall eingezogen werden könnte, argumentiert der Verteidigungsminister.
Die Musterung war früher Sache der sogenannten Kreiswehrersatzämter, die über das ganze Land verteilt waren. Mit dem Ende der Wehrpflicht 2011 wurden diese Ämter vollständig aufgelöst. In großer Eile will das Verteidigungsministerium nun eine neue Infrastruktur für die Musterung aus dem Boden stampfen und besichtigt dafür bereits Immobilien. Mit den staubigen Amtsstuben aus vergangenen Jahren sollen die neuen „Karrierecenter“ der Bundeswehr nichts zu tun haben, betont Pistorius. Ähnlich wie in Schweden sollen sie modern, hell und freundlich sein.
Kritik aus der jungen Generation und von der Opposition
Vor allem bei den Betroffenen stößt der Wehrdienst-Kompromiss der schwarz-roten Koalition auf Kritik. Der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Quentin Gärtner, forderte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), das Wehrdienst-Gesetz „mit einer Offensive für Bildung und mentale Gesundheit junger Menschen“ im Umfang von 100 Milliarden Euro zu flankieren. „Es gibt noch nicht einmal das kleinste Signal, dass der Staat auch bereit ist, für uns Verantwortung zu übernehmen“, kritisierte Gärtner.

Kritik kam auch von Oppositionspolitiker Sören Pellmann, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag: „Jeder der Koalitionäre versucht, die Einigung bei der Wehrpflicht als Erfolg für sich zu verbuchen – wer unter die Räder kommt, ist die junge Generation“. De facto habe die Koalition ihren Streit einfach in die Zukunft verschoben, sagte Pellmann. „Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Wehrpflicht kommen wird.“
Die Linke will jungen Menschen Beratungsangebote machen, zum Beispiel dann, wenn sie den Dienst an der Waffe verweigern wollen. Unabhängig davon, ob der Wehrdienst freiwillig bleibt oder in Zukunft wieder verpflichtend wird, garantiert das Grundgesetz jedem Bürger das Recht, den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern.