Orban bei Trump: Posieren der Populisten
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und seine Regierungspartei Fidesz stecken in großen innenpolitischen Schwierigkeiten. In fünf Monaten ist Parlamentswahl. Orbans Partei liegt in allen unabhängigen Umfragen weit hinter der Oppositionspartei Tisza. Dem teils autokratisch regierenden Langzeit-Premier Orban droht der Machtverlust. Bisher hat keine der Regierungskampagnen, die auch mit Falschaussagen über den Tisza-Chef Peter Magyar arbeiten, daran etwas ändern können.
In Ungarn herrscht nach 16 Jahren Orban Wechselstimmung. Viele Menschen, darunter auch solche aus Orbans Wählerlager, sind unzufrieden – wegen der schlechten Zustände im Gesundheits- und Bildungswesen und im öffentlichen Nah- und Fernverkehr und wegen der Korruptions- und Luxusaffären in der Familie und im Umfeld Orbans. Und weil die prekären Verhältnisse mit einer Propaganda einhergehen, die tagtäglich aus allen medialen Kanälen quillt.
Eines der wenigen Felder, auf dem Viktor Orban im längst laufenden Wahlkampf noch groß zu punkten hofft, ist die Außenpolitik. Er präsentiert sich als einer der weitsichtigsten Staatsmänner der ungarischen Geschichte, als derzeit neben dem Papst einziger Friedenstifter in Europa, und er behauptet, dass nur er als Chef einer „nationalen, proungarischen Regierung“ Ungarn davor schützen könne, von der Europäischen Union in einen „Krieg gegen Russland“ hineingezogen zu werden.
Orban bleibt Trump treu
Nicht zuletzt stellt Orban seine außenpolitische Orientierung auch als Garantie des Wohlstands für Ungarn da. Dank der guten Beziehungen zu Russland und russischem Öl und Gas könne man die Energie- und Wohnnebenkosten auf einem in Europa einmalig niedrigen Niveau halten. Investitionen des Ungarn wohlgesonnen China wiederum würden für Arbeitsplätze und einen Technologieboom sorgen.
Ganz im Zeichen des Wahlkampfs stand folgerichtig auch Orbans Besuch beim US-Präsidenten Donald Trump am Freitag (7.11.2025). Es war für Ungarn das wichtigste außenpolitische Ereignis seit langem. Orban zelebrierte es als Zeichen enger Freundschaft mit dem „einzigen Mann auf dem Planeten, der imstande sei, international für Frieden zu sorgen“. Für Orbans jahrelange, fast bedingungslose Treue gegenüber Trump revanchierte sich dieser mit Bemerkungen wie der, dass Orban ein „großer Führer“ sei.

Medien sprechen von Erfolg
Jenseits des Posings zweier Rechtspopulisten ging es vor allem ums Geschäft. Nachdem der US-Präsident Ende September Sanktionen gegen die russischen Öl-Konzerne Lukoil und Rosneft verhängt und damit den internationalen Handel mit russischem Öl unter Strafe gestellt hatte, wollte Orban von Trump nichts weniger als eine Ausnahmegenehmigung. Denn Ungarn erhält sein Öl und Gas fast ausschließlich aus Russland. Orban braucht das vergleichsweise billige russische Öl und die Einnahmen aus dem Geschäft mit Russland gerade jetzt, um seine großzügigen Wahlkampfgeschenke zu finanzieren.
Und tatsächlich: Ungarns Premier erhielt von Trump die Zusage für eine Ausnahmeregelung – so verkündete es jedenfalls Orban selbst in der Nacht zum Sonnabend während einer Pressekonferenz in Washington. Die regierungstreuen ungarischen Medien jubelten anschließend und sprachen von einem „beispiellosen ungarischen Erfolg“. Auch Ungarns unabhängige Medien wie etwa das Portal Telex konstatieren: „Orban hat bekommen, wofür er ins Weiße Haus fuhr“.
Plötzlich doch Flüssiggas
Bei näherem Hinsehen ist das Ergebnis von Orbans Visite allerdings nuancierter. Ungarns Premier und seine Regierung behaupten, die Ausnahmeregelung für den Kauf russischen Öls und Gases gelte unbefristet, während sie laut US-Quellen wohl nur für ein Jahr gilt. Trump selbst hatte zuvor nur vage gesagt, man prüfe die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung für Ungarn. Auch hat Orban diese Regelung teuer erkauft. Ungarn verpflichtet sich unter anderem, US-amerikanische Atomkrafttechnologie und Kernbrennstoff sowie US-Flüssiggas zu erwerben, letzteres für rund 600 Millionen US-Dollar.

Das ist ein bemerkenswerter Umschwung. Denn während der Amtszeit des US-Präsidenten Joe Biden hatte Orban noch permanent gegen die angebliche Strategie der USA gehetzt, derzufolge der „Krieg des Westens gegen Russland durch die Ukraine“ auch ein Mittel sei, um mehr US-Flüssiggas zu verkaufen. Ebenso bemerkenswert ist die geplante Kooperation im Atomkraft-Bereich, denn auch dabei setzte Ungarn bisher vor allem auf russische Technologie und russische Investitionen. Nun verpflichtet sich Ungarn unter anderem, für sein Atomkraftwerk in Paks, das russischer Bauart ist, US-amerikanischen Kernbrennstoff zu kaufen. Außerdem sollen in Ungarn bis zu 20 Mini-Atomkraftwerke gebaut werden – so genannte Small Modular Reactors (SMR), eine Technologie, die allerdings noch wenig ausgereift ist. Ob Orban damit insgesamt eine vorsichtige Loslösung von der russischen Energieabhängigkeit einleitet oder ob es nur um Absichtserklärungen geht, von denen am Ende wenig umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Ungarn in EU und NATO isoliert
Für Orban ist es wichtig, nahezu um jeden Preis sein enges Verhältnis mit dem US-Präsidenten zu demonstrieren und in dessen Wohlwollen zu stehen. In der EU und in der NATO ist Ungarn inzwischen weitgehend isoliert. In beiden Bündnissen wird es mit großem Misstrauen und sogar als Sicherheitsrisiko betrachtet, etwa, weil russische Geheimdienste staatliche ungarische Stellen relativ ungehindert ausspionieren können, wie der seit 2022 bekannte Fall des russischen Cyberangriffs auf Ungarns Außenministerium zeigte. Orban bemüht sich zwar immer wieder um einen Schulterschluss mit ihm politisch nahestehenden Regierungen wie der von Robert Fico in der Slowakei oder der künftigen Babis-Regierung in der Tschechischen Republik, allerdings sind die Nachbarn in vielen Bereichen, etwa der Ukraine-Politik, flexibler als Ungarn.
Auch finanziell geht es beim Verhältnis Ungarns zu den USA um mehr als nur um eine Ausnahmeregelung für russisches Öl und Gas. Trumps Zollpolitik bedroht die ungarische Wirtschaft stark, weil vor allem deutsche Automobilekonzerne in Ungarn produzieren lassen und sehr stark zur Wirtschaftsleistung des Landes beitragen. Die Krise der Automobilindustrie durch Trumps Zölle bedroht Ungarn mehr als andere europäische Länder. Eine weitere große finanzielle Belastung für Ungarn ist, dass Brüssel den größten Teil der EU-Fördergelder für Ungarn wegen Rechtsstaatsverstößen und Korruptionsvorwürfen eingefroren hat.

Isoliert wie er ist, genoss Orban den Auftritt bei seinem einzig verbliebenen großen westlichen Verbündeten sichtlich. Trump lobte Orban für seine harte Anti-Migrationspolitik und sagte den Wahlsieg des ungarischen Premiers im April kommenden Jahres voraus. Als Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt an einer Stelle einen Journalisten in gewohnt barscher Art zurechtwies, fragte Orban Trump, ob er sie „mal für einen Monat ausleihen könne“. Später bilanzierte Ungarns Premier seinen Washington-Besuch für das einheimische Publikum in bizarr anmutender Weise: „Wir haben die Wohnnebenkosten-Senkung verteidigt.“