G20 in Johannesburg – ein historischer Moment für Afrika?
Endlich ist es so weit: Am 22. und 23. November treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G20 (Gruppe der Zwanzig) in Johannesburg – und damit erstmals auf afrikanischem Boden. Lindelani Mkhaliphi, ein junger Südafrikaner, erzählte der DW im Anschluss an einen Workshop zum G20-Gipfel: „Das macht mich stolz. Wir repräsentieren außerdem ganz Afrika.“
Die G20-Präsidentschaft ist ein wichtiger Moment für Südafrika und seinen Präsidenten Cyril Ramaphosa. Das Industrieland am Kap versucht, seiner Rolle als BRICS-Mitglied gerecht zu werden und gleichzeitig ein geschätzter Handelspartner für westliche Demokratien zu bleiben.

Seitdem Südafrika vor knapp einem Jahr den Staffelstab von Brasilien übernommen hatte, setzte es mit seiner G20-Agenda Akzente unter der Überschrift „Solidarität, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit“. Mavis Owusu-Gyamfi, Präsidentin und Geschäftsführerin des African Center for Economic Transformation (ACET) lobte diese Prioritätensetzung: „Die Welt realisiert gerade, dass Afrika eine zentrale Rolle bei der Lösung vieler globaler Herausforderungen spielt“, sagte Owusu-Gyamfi gegenüber der DW. „Globales Wachstum und Stabilität hängen davon ab, ob die Entwicklung des afrikanischen Kontinents gut oder schlecht verläuft.“
Sie verweist auf Afrikas schnell wachsende, junge Bevölkerung, ihren zunehmenden Anteil an der globalen Erwerbsbevölkerung und die Souveränität über einen „bedeutenden Anteil der kritischen Mineralien, die wir für grünes Wachstum benötigen“.
Südafrika ignoriert US-Boykott
Doch im Kreise der G20 wird ein Schlüsselland fehlen: Die Vereinigten Staaten boykottieren aber den G20-Gipfel in Johannesburg. Die Administration von Präsident Donald Trump will keine politischen Vertreter zu den Beratungen schicken, sondern lediglich zur Übergabe des G20-Vorsitzes, den die USA am 1. Dezember übernehmen werden.
Washingtons Beziehungen zu Südafrika haben sich seit Trumps Amtsantritt massiv verschlechtert: Zunächst wurden im Februar die Hilfsgelder der staatlichen Behörde für Internationale Entwicklung (USAID) drastisch gekürzt – ein drastischer Schritt, der Tausende von schutzbedürftigen Südafrikanern hart getroffen hat. Die über das Jahr hinweg verhängten US-Zölle trafen Südafrikas kriselnde Industrie ebenfalls hart.
Dazu kam Trumps ohne konkrete Beweise erhobener Vorwurf, in Südafrika finde ein Völkermord an Menschen der weißen Bevölkerung statt. Die südafrikanische Regierung dementiert diese Vorwürfe. Washington hat Pretoria auch wegen seines laufenden Verfahrens vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel und dessen Vorgehen im Gazastreifen scharf kritisiert.

Menzi Ndhlovu, politischer Risikoanalyst bei Signal Risk, sieht in Trumps G20-Boykott noch ein weiteres Motiv: „Es geht hier um die Delegitimierung Südafrikas, seines Führungsstatus und seine Zugehörigkeit zu den oberen Rängen der globalen Machtstrukturen“, sagte er zur DW. „Die USA, genauer gesagt die Republikaner, sehen Südafrika als ein Paradebeispiel für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion.“ Die Republikaner seien gegen diese Werte. Um international ein Exempel zu statuieren, hätten sie Südafrika ins Visier genommen.
Im Februar kritisierte US-Außenminister Marco Rubio das südafrikanische G20-Motto: „‚Solidarität, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit‘, man könnte auch sagen DEI und Klimawandel.“ DEI ist ein Reizwort für die Trump-Regierung; die Abkürzung steht für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion. Rubio sagte, das G20-Motto sei voller „Anti-Amerikanismen“.
Doch die Missachtung einer Organisation, die rund 85 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP), 60 Prozent der Weltbevölkerung und über 75 Prozent des Welthandels repräsentiert, bleibt problematisch. Die G20 besteht aus den 19 größten Volkswirtschaften der Welt sowie der Europäischen Union (EU) und der Afrikanischen Union (AU) – hochrangige Beamte werden trotz der Abwesenheit der USA erwartet.
Mit Blick auf Trumps Behauptungen über einen Völkermord in Südafrika sagte der Analyst Ndhlovu: „Viele Großmächte sehen über die Theatralik hinweg und wollen damit nichts zu tun haben, weil sie den Wert einer Partnerschaft mit der immer noch größten und einflussreichsten Volkswirtschaft Afrikas erkennen.“
Ndhlovu räumt ein, dass der US-Boykott aufgrund der wirtschaftlichen Macht und des Einflusses der USA auf globale Institutionen ein großes Hindernis darstellt – eine Herausforderung für die südafrikanische Präsidentschaft: „Südafrikas Reaktion auf Trumps Nichtteilnahme war sehr würdevoll“, sagte Ndhlovu gegenüber der DW. „Der nächste Schritt ist jedoch wichtiger: Es gilt, Lösungen zu finden, die auch ohne die USA funktionieren und bei denen ein Konsens herrscht.“
Welchen Nutzen kann Afrika aus G20 ziehen?
„Globale Zusammenarbeit dreht sich nicht um ein einzelnes Land“, sagte ACET-Chefin Owusu-Gyamfi. Sie lobt Südafrikas Führung in der G20: Das Land habe hervorgehoben, die Bewältigung der aktuellen globalen Herausforderungen, sei es die Schuldenreform, die Klimafinanzierung oder der Handel, sei eine gemeinsame Aufgabe der G20 und darüber hinaus.
Die Probleme Südafrikas und der Regierung von Präsident Cyril Ramaphosa sind beträchtlich: Korruptionsskandale, hohe Kriminalitätsraten und eine stagnierende Wirtschaft, die mit einer erschreckend hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat. Dennoch sehen Ndhlovu und andere den G20-Gipfel als Chance für Südafrika, sich gut zu präsentieren.

„Als Afrikaner neigen wir dazu, G20 als europäisch abzustempeln und zu denken, dass uns all das nicht betrifft“, sagte Nghede Adams, ein nigerianischer Stipendiat der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, gegenüber der DW. „Aber hier in Südafrika sind die G20 ganz nah. Das ist eine Gelegenheit für uns, in Kontakt zu treten.“
Die Uganderin Martha Tukahirwa, deren NGO Fight Inequality Alliance den Gipfel begleiten wird, weist auf die weltweiten Umbrüche hin. Es sei ein politischer Moment, da multilaterale Foren nicht mehr automatisch von Vertretern anderer Kontinente dominiert würden: „Wir müssen den Raum nutzen, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen“, sagte sie der DW.
Beginnt in Johannesburg ein neues Kapitel der globalen Nord-Süd-Beziehungen?
Ein Herzensanliegen der südafrikanischen Präsidentschaft ist, die weltweite Finanzarchitektur so zu gestalten, dass sie auch dem globalen Süden nutzt. Denn gerade viele afrikanische Regierungen stehen angesichts einer massiven Staatsverschuldung vor Herausforderungen.
Die Ökonomin Mavis Owusu-Gyamfi lobt: „Südafrika hat die Schuldentragfähigkeit für einkommensschwache Länder in den Mittelpunkt ihrer Agenda gestellt, da diese Länder derzeit durchschnittlich 17 Prozent ihrer Einnahmen für die Schuldentilgung aufwenden.“ Sie hofft, dass von G20 spürbare Verbesserungen für afrikanische Volkswirtschaften ausgehen. Für die wirtschaftliche Transformation müsse Afrika „Zugang zu den richtigen Finanzierungsarten haben, wenn diese benötigt werden. Südafrikas Fokus auf die Kapitalkosten ist ein hervorragendes Beispiel dafür, warum der G20-Gipfel auf afrikanischem Boden gut für Afrika ist“, sagte Owusu-Gyamfi.

Menzi Ndhlovu von Signal Risk ist überzeugt, dass die Auswahl der richtigen Themen – wie beispielsweise die Umschuldung, aber auch der globale Handel mit kritischen Mineralien – den G20-Gipfel für Südafrika zu einem Erfolg machen könne. „Die USA könnten sich sogar dazu entschließen, sich zu engagieren, da sie großes Interesse an kritischen Mineralien haben. Und vielleicht müssen wir zu einer Situation gelangen, in der wir akzeptieren, dass die G20 ein Ausgangspunkt für eine ‚plurilaterale‘ Plattform ist, nicht unbedingt für eine multilaterale.“